Gottes geheime Sprache

Was geschieht mit uns im Traum? Woher kommen die Träume und aus welcher Sphäre stammen ihre oft verworrenen Bilder? Wie kommt es, dass Träume manchmal jedoch ganz klar und realistisch sind? Sind Träume so etwas wie eine Verbindung zu einer anderen Welt oder nur wirre Produkte unseres schlafenden Gehirns?

Seit jeher interessierten sich die Menschen für das Geheimnis der Träume. Auch heute kommt man diesem Geheimnis nur langsam auf die Spur. Die Ähnlichkeit der Traumwelt zur Welt der Märchen, Mythen und Sagen lässt sich schnell feststellen. Doch gibt es auch Verbindungen zu der Vorstellungswelt der Religion? Wir wollen hier den Träumen als geheimer Sprache Gottes unser Augenmerk schenken.

Träume als die eigentliche Realität?

Es gibt wohl kaum eine Kultur, die sich nicht für Träume interessiert hat. „Viele Kulturen glauben, Träume ermöglichten den Kontakt mit einer anderen Wirklichkeit, Träume seien die natürliche Verbindung mit der übersinnlichen Welt“ (Markus Metz, Post der Götter; in Zeitzeichen 8/2005 S. 30). Einen besonderen Bezug zur Traumwelt haben die Ureinwohner Australiens. Sie sprechen von der Traumzeit, einem symbolischen Netz von Beziehungen alles Lebendigen, das sich mit bestimmten Örtlichkeiten, Riten und Traumgeschichten verbindet. Bei uns dagegen werden Träume gemeinhin als weniger real betrachtet als unser Wachbewusstsein. „Träume sind Schäume“, so heißt es, und wenn, dann verraten sie mehr über uns selbst, als über die Wirklichkeit um uns herum. Ganz anders ist das in anderen Kulturen. Die Mohave Old Yuma-Indianderstämme im Coloradobecken in Nordamerika halten Träume sogar für die höhere oder die „wahre“ Realität (ebenda).

Besondere Beachtung erhielt die Traumdeutung schon vor 4000 Jahren im alten Ägypten. Die Geschichte von Joseph im Alten Testament erzählt davon. Träume wurden dabei als Omen gedeutet für das, was geschehen wird, oder als Ratschlag für den Alltag. Auch in der Antike schätzte man die Traumwelt. Homer betrachtet sie in der Ilias oder der Odyssee als Botschaft der Götter. Oder wie die Stoiker es sagten: „Im Traum lüften die Götter den Schleier ein Stück weit und lassen den Menschen einen Blick auf die vorbestimmte Zukunft werfen“ (ebenda).

Träume in der Bibel

Und in der Bibel? Welche Einstellung zu Träumen finden wir im jüdisch-christlichen Kulturkreis? Werden hier die Träume genauso positiv eingeschätzt wie in den Nachbarkulturen? Sind sie auch hier Offenbarungen Gottes, Botschaften an uns Menschen, oder verdanken wir der biblischen Tradition unsere Skepsis gegenüber den Träumen als etwas Unwirklichem, Verführerischen, ja sogar Gefährlichem, das einer anderen Macht unterworfen ist, eine Verführung des Teufels gar, wie es Papst Gregor II. im frühen Mittelalter behauptete.

Wenn wir in die Bibel schauen, werden wir zunächst überrascht davon sein, wie oft hier von bedeutungsvollen Träumen berichtet wird. Durch Träume teilt sich Gott den Menschen mit, beeinflusst er ihren Weg. Träume werden von Menschen ausgelegt, die Gott besonders nahe stehen. Durch Träume geleitet Gott die Menschen an den entscheidenden Wendepunkt der Bibel. Jakobs Traum von der Himmelsleiter oder Josephs Träume und Traumdeutung markieren Begegnungen mit dem Gott Israels ebenso, wie Hiskias Traum vom Untergang des Königreichs Juda, Nebukadnezars Traum des tönernen Weltreichs Babylons oder Joels Traum vom Reich Gottes am Ende der Zeit. Ebenso im neuen Testament: Durch Träume behütet Gott das göttliche Kind um Jesu Geburt. Träume gebieten Petrus und Paulus in der Mission, hinaus aus ihrer vertrauten jüdischen Welt zu einem ganz neuen Schritt, der Öffnung der Botschaft Gottes für alle Völker.

Nicht sehr geschätzt

Gleichzeitig wächst aber auch in der Welt der Bibel die Skepsis gegenüber der Traumdeutung in der heidnischen Umwelt und in der Orakle-Prophetie des Volkes Israel. Jeremia prangert den Missbrauch an: „Ich hörte wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt!“ (Jer. 23, 17). Sollten etwa die vielen Stimmen, die da nachts geträumt wurden, die Stimme des einen Gottes übertönen? Überhaupt wird die vieldeutige und unübersichtliche Bilderwelt der Träume argwöhnisch betrachtet und das eindeutige Wort Gottes höher geschätzt, das die Propheten wie Jeremia verkündeten und das sich im Sohn Gottes in Jesus verkörperte. Jeremia urteilt ganz unzweideutig: „Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der spreche mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?, spricht der Herr“ (Jer. 23,28).

Fingerzeige Gottes

Doch nicht überall in der Bibel werden Träume negativ beurteilt. In vielen biblischen Büchern erscheinen sie geradewegs als Fingerzeig Gottes, der die Menschen auf den richtigen Weg führt. In den Träumen der Menschen nimmt Gott seine Heilsgeschichte vorweg. Nicht nur Joseph, der Träumer, vermag diese Träume richtig zu deuten. Auch an vielen anderen Stellen verstehen Menschen die geheime Sprache Gottes – und handeln danach.

Jakobs Traum

Jakobsleiter (Wenzelsbibel) (Wikipedia)
Die Jakobsleiter – Von Bildlexikon der Kunst, Bd. 6.: Engel, Dämonen und phantastische Wesen, Berlin: Parthas-Verlag 2003, ISBN 3936324042 / ISBN 9783936324044, S. 139, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=114174418

Eine Leiter zum Himmel

In Jakob begegnen wir einem der großen Träumer im alten Israel, wie dies eindrucksvoll im Traum von der Himmelsleiter geschildert wird. Sein ganzes widersprüchliches Leben wird in diesem Traum deutlich. Jakob ist der geliebte Sohn der Mutter. Esau wird vom Vater bevorzugt. Zwischen Flucht und Anpassung, Betrug und Treue, Verwegenheit und Mut bewegt sich sein Leben. Im Traum erkennt Jakob seinen Weg, der die Gegensätze in seinem Leben zusammen bringt.

Jakob ist auf der Flucht, nachdem er das Erstgeburtsrecht durch List seinem Bruder entrissen hat. Den Segen des Vaters erkauft er durch den Zorn des Bruders, vor dem er nun flieht. Der Traum symbolisiert den Übergang zu einem ganz anderen Leben, das Jakob nun in der Fremde führen muss. Viele entscheidenden Träume geschehen vor großen Ereignissen, in der Nacht vor der Hochzeit, vor einer großen Reise oder einer wichtigen Entscheidung.


Wendepunkt im Leben

Der entscheidende Wendepunkt des Traumes findet sich in der Erscheinung der Himmelsleiter. Sie steht zwar auf der Erde, doch reicht sie bis zum Himmel. Seine menschliche Situation ist mit der himmlischen Sphäre verbunden. In seiner Verlorenheit symbolisiert die Leiter die Verbundenheit Gottes mit seinem Geschlecht. Jakob, der nach Haran in Mesopotamien aufbricht, wird auch in der Fremde von Gott nicht verlassen sein. Ähnlich wie bei den babylonischen Heiligtümern führt eine steile Stufentreppe die Tempeltürme hinauf (vgl. Turmbau von Babel) bis zum obersten Gemach, das die Wohnung der Gottheit symbolisierte. In zahlreichen Religionen finden wir die Leiter oder die Treppe als Symbol für den Aufstieg zu Gott. Bemerkenswert ist jedoch hier, dass Jakob diese Leiter nicht ersteigen muss. Keine religiösen Höhenflüge werden von ihm erwartet, sondern die Macht Gottes kommt zu ihm herab mit seiner Botschaft in Form der Engel.
 

Kollektiver Traum Israels

Das Traumbild weist hin auf die Lösung des Widerspruchs, in dem Jakob sich befindet. Trotz seiner Schuld ist es die Verheißung der Nachkommenschaft und der Rückkehr in sein Heimatland. Was im Traum vorweg genommen wird, verwirklicht sich später in der Lebensgeschichte Jakobs, die auch die Geschichte seines Volkes ist. Denn das Land, auf dem der Träumer liegt, ist eine Vorwegnahme des verheißenen Landes. Der Traum Jakobs ist ein kollektiver Traum des Volkes Israel. Symbolisch dafür steht der Stein, den Jakob zunächst unter sein Haupt legt, und der dann den Ort markiert, an dem die Verheißung des Landes an sein Volk gefeiert wird. Der Mensch braucht Orte der Erinnerung und Verehrung. Dieser Ort verbindet sich fortan mit dem Traum, der im Kult nachvollzogen wird, indem man Salböl über jenen Stein gießt. Der Ort heißt Beth-El, Haus Gottes und wird eines der wichtigsten Heiligtümer des alten Israel.
 

Auseinandersetzung mit der Schuld

Der Weg Jakobs ist damit noch nicht zu Ende. Er muss noch einen weiten Weg gehen, der letztlich in der Auseinandersetzung mit seiner Schuld besteht. Der Kampf am Jabbok steht für diese Begegnung mit seiner eigenen Schuld. Doch Jakob geht aus dem Kampf als Gesegneter hervor. Letztendlich bewahrheitet sich, was Jakob im Traum der Himmelsleiter zugesagt wurde: Gott steht zu seiner Zusage.
 

Traum von einer neuen Welt

Das Neue entsteht auf der Schablone des Alten

Die Worte der Offenbarung 21 gehören zu diesen großen Träumen der Bibel. Einen neuen Himmel und eine neue Erde sieht darin der Seher Johannes. Diese Welt unterscheidet sich qualitativ von der Welt in der wir leben, sie wird verwandelt durch Gottes Nähe. Sie ist keine andere Welt, auch keine jenseitige Welt. Sie wächst aus unserer Welt heraus. Das Neue entsteht auf der Schablone des Alten. Wir werden darin nicht entrückt. Gott zerstört seine Welt nicht, um eine neue zu erschaffen. Aber ihre Brüche, ihre Widersprüche werden der Vergangenheit angehören, werden Teil der ersten Himmels und der ersten Erde sein. „Der neue Himmel und die neue Erde stehen in Kontinuität mit dem alten Himmel und der alten Erde, aber sie bilden eine qualitativ neue und geeinte Welt.“(Elisabeth Schüssler Fiorenza, Das Buch der Offenbarung, 1994, S.133)

Symbolisiert wird diese geeinte Welt durch das Bild des neuen Jerusalems, der vollkommenen Stadt, der utopischen Polis. Sie ist geschmückt wie eine Braut und glänzt im Glanz der „gerechten Taten der Heiligen“. In ihr kommt der Himmel auf die Erde und dadurch verschwinden die Gegensätze des alten Himmels und der alten Erde. Himmel und Erde werde in ihr eines in der Herrschaft Gottes.


Die Schreie der Verfolgten ertönen um der Schöpfung willen

Die Rettungsvision des Sehers Johannes konzentriert sich auf die Erde. „Anders als bei Paulus schaut Johannes nicht, dass die Christinnen und Christen am letzten Tage in die Wolken aufgenommen werden, um ihren Herrn einzuholen (1. Thess. 4,17). Auch glaubt er nicht wie Daniel, dass die Gerechten wie Sterne am Himmel scheinen werden (Dan. 12,3f)“(ebenda). Christi und Gottes Herrschaft geht nicht an der Wirklichkeit von uns Menschen vorbei, ist kein unwirkliches Reich der Sektierer und Weltverbesserer. „Die Schreie der Verfolgten nach Gerechtigkeit und Gericht ertönen deshalb auch um der Erde und der Schöpfung willen.“(ebenda). Es geht nicht nur darum ihnen Gerechtigkeit zu verschaffen und die Welt zu richten. In der Herrschaft Gottes, die Himmel und Erde vereint, geht es um vollständiges menschliches Wohlergehen und Heil auf Erden. Nicht Leiden, Weinen, Klagen, Hunger, Gefangeschaft und Tod, sondern Leben, Licht und Freude bestimmen die Wirklichkeit des neuen Himmels und der neuen Erde. Darum verschwindet auch das Meer als symbolischer Ort für das Untier des Bösen; genauso wird die zukünftige heile Welt darin auch nicht als Insel der Seligen im Meer der Vernichtung gesehen wird, sondern als eine Welt, die die ganze Schöpfung umfasst.


Träume nehmen die Wirklichkeit vorweg

Die Bilder der Offenbarung erscheinen uns wie ein Traum. Aber sie sind auch genauso unwirklich und verwirrend wie diese. Träumt Gott die Welt in unseren Träumen, nimmt er die kommende Wirklichkeit vorweg in den Gesichten der Menschen? Ich möchte den Gedanken wagen, dass Gott unsere Welt in seinen Träumen Wirklichkeit werden lässt. Ja letztendlich ist seine ganze Schöpfung ein einziger großer Traum seiner Wirklichkeit.

In unseren Träumen sind wir dieser Wirklichkeit ganz nahe. Aber nicht immer dringt sie an unser Bewußtsein heran. Manchmal sind uns diese Bilder so eindrücklich, dass wir sie in unser Wachbewußtsein übernehmen, ja sie eventuell sogar als bedeutungsvoll erkennen. Hin und wieder wecken uns die Bilder auf, erschrecken uns, zeigen uns den Weg. Im Traum finden sich Lösungswege, in denen sich die Bilder der Konflikte widerspiegeln, in denen wir leben. Die Macht der Träume besteht darin, Symbole zu bilden, die für unser Leben bedeutungsvoll werden können, die Himmelsleiter bei Jakob, die fetten und mageren Kühe bei Joseph, die Schwerter zu Pflug­scharen bei Jesaja, Joel oder Micha oder das neue Jerusalem in der Offenbarung.


Literatur: Elisabeth Schüssler Fiorenza, Das Buch der Offenbarung, 1994, S.133 ff.

Gottes großer Traum

Ich habe einen Traum

„I have a dream – Ich habe einen Traum“, diese Worte von Martin Luther King gehen uns heute noch unter die Haut. Sie sprechen von einem großen Traum der Brüderlichkeit, die der schwarze Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler vor über 40 Jahren am 28. August 1963 auf dem Capitol in Washington sprach. Hunderttausende waren mit ihm in die amerikanische Hauptstadt gezogen und demonstrierten für die Abschaffung der erniedrigenden Rassengesetze in den Vereinigten Staaten. Es war „als kämen seine Worte von einem höheren Ort“ erinnert sich Coretta King, seine Frau „als sprächen sie durch ihn hindurch zu den beladenen Menschen vor ihm. Der Himmel tat sich auf und wir alle schienen verwandelt.“

Es gibt nur wenige Momente wie diesen, in dem wir alle es spüren können, welche Kraft und welche Stärke aus solchen Worten dringen kann und wie die Kraft dieser Traumbilder tausende erreicht. Nur wenige Tage und Wochen danach fielen die Rassengesetze, eine neue Ära des Zusammenlebens begann in den Vereinigten Staaten, die nicht alle Probleme für die schwarze Bevölkerung dort löste aber vieles einfacher und erträglicher machte.

Die Macht der Träume wird sichtbar in der Geschichte Martin Luther Kings, genauso wie in den Tagen des Mauerfalls in Deutschland oder in den Tagen des Prager Frühlings, sie war spürbar unter den Studenten auf dem Platz Tienamen in Peking oder der Peace-now-Bewegung in Israel vor der Ermordung Premier Rabins. Die Macht der Träume gewinnt im alltäglichen Leben Gestalt in den kollektiven Träumen der Menschheit, der Traum vom Fliegen, der Traum der ewigen Jugend oder der Traum vom Sieg über die Krankheiten. Träume haben eine eigenartige Macht, nehmen vorweg, was heute noch noch unerreichbar scheint. Träume bewegen Menschen und es scheint gelegentlich so, dass Träume der Wirklichkeit vorausgehen, ja sie überhaupt erst möglich machen. Was sein wird, haben Menschen zuvor geträumt. Unsere Träume, seien sie positiv oder negativ nehmen vorweg, was in unserer Welt denkbar und vorstellbar und eines Tages auch Wirklichkeit sein wird.


Schwerter zu Pflugscharen

Schon die Bibel kennt solche Träume. Sorgsam aufgeschrieben und aufbewahrt wurden sie von den Schriftstellern der Bibel, auf Rollen versiegelt, für die Zukunft bestimmt. Worte der Propheten nehmen das Kommende vorweg, träumen eine andere Welt, ahnen Gericht und Bewahrung der Welt vor den Augen Gottes. Und ihre Träume begleiten die Menschenheit über Jahrhunderte, warten auf Erfüllung, sie sind ausgesandt wie die Worte der Herrn, die einmal ausgesprochen, nicht leer zurückkommen werden.

Es sind Bilder, die ihre eigene Macht entfalten. In ihnen steckt die Wirklichkeit des Reiches Gottes, die Verwandlung unserer Welt in den großen Traum Gottes, der Vollendung seiner Schöpfung.

Dass Schwerter zu Pflugscharen werden, dass der Krieg und das Morden abgeschafft würden, dass Gerechtigkeit werde im Unrecht unserer Welt. Nicht immer scheint dies realistisch. Immer wieder holen uns die grausamen Bilder von Terror und Gewalt ein. In Wellen der Ernüchterung und Ermutigung ist die Erfüllung dieser Verheißung zum Greifen nahe und wird dann wieder in Frage gestellt.

Dennoch steht der Traum im Raum und die Erinnerung an ihn gestaltet die Wirklichkeit. Eine am Lauf verbogene Pistole steht als Monument vor dem UNO-Gebäude in New York und ein Emblem mit einem Mann, der ein Schwert mit einem Hammer zu einem Pflug umwandelt nähten sich engagierte Christen in der DDR auf den Ärmel. Das Wort der Verheißung gewann in der friedlichen Revolution der Wende eine greifbare Gestalt.

Und auch andere Visionen der Bibel sind mehr als feierliche Worte. Das Lamm das neben dem Löwen liegt träumt von der versöhnten Schöpfung, die Völker die zum Zion pilgern träumen von dem Frieden der vom Berge und der Nähe Gottes ausgeht. Und die Menschheit wartet auf Wiederkunft des Erlösers, der seit der Prophezeiung des Jesaja den Namen trägt „Gott mit uns“ – Immanuel. Die Träume Gottes haben die Macht die Welt zu verwandeln. Wer darauf vertraut hat heute schon Anteil daran, indem er sie für sich als wirksam entdeckt.


Die Macht der Traumbilder

Die Bilder der Bibel erscheinen uns oft wie ein Traum. Manchmal sind sie auch genauso unwirklich und verwirrend wie diese. Träumt Gott die Welt in unseren Träumen, nimmt er die kommende Wirklichkeit vorweg in den Gesichten der Menschen? Ich möchte den Gedanken wagen, dass Gott unsere Welt in seinen Träumen Wirklichkeit werden lässt. Ja letztendlich ist seine ganze Schöpfung ein einziger großer Traum seiner Wirklichkeit.

In unseren Träumen sind wir dieser Wirklichkeit ganz nahe. Aber nicht immer dringt sie an unser Bewußtsein heran. Manchmal sind uns diese Bilder so eindrücklich, dass wir sie in unser Wachbewußtsein übernehmen, ja sie eventuell sogar als bedeutungsvoll erkennen. Hin und wieder wecken uns die Bilder auf, erschrecken uns, zeigen uns den Weg. Im Traum finden sich Lösungswege, in denen sich die Bilder der Konflikte widerspiegeln, in denen wir leben. Die Macht der Träume besteht darin, Symbole zu bilden, die für unser Leben bedeutungsvoll werden können, die Himmelsleiter bei Jakob, die fetten und mageren Kühe bei Joseph, die Schwerter zu Pflug­scharen bei Jesaja, Joel oder Micha oder das neue Jerusalem in der Offenbarung.

Diese Bilder haben eine ganz eigentümliche Kraft. Sie können die Vorstellungen und Bestrebungen der Menschen dermaßen verdichten, dass sie Wirklichkeit werden. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür wie Stimmungen und Ahnungen der Menschen Ereignisse vorwegnahmen die wenige Jahre darauf eintraten. Letztendlich erahnen wir den großen Traum, der hinter allem steht, träumen wir ihn durch unsere Gedanken, Phantasien, Wünsche und Träume. Die Welt ist wie ein großes Netz und im Zusammenspiel der imaginären Kräfte entfaltet sich die Macht des Schöpfers. Wir alle leben diesen großen Traum, sind Teil davon, werden von ihm verwandelt auf die Wirklichkeit Gottes hin.


Das Kommen Christi

Das Kommen Christi ist darin eine enorme Konzentration des Geschehens. Der große Naturphilosoph und Jesuit Pierre Teilhard de Chardin erkannte darin eine entscheidende Wendepunkt in der zunehmenden Materialisierung der Wirklichkeit Gottes auf den Zielpunkt der Schöpfung hin, den er Punkt Omega nannte. Gott geht sozusagen schrittweise in seine Schöpfung über, wird in Christus eins mit ihr als des kosmischen Christus. Und Christus durchdringt seine Welt in dem er sie nach und nach verwandelt, sie ihm und dadurch dem großen Traum des Schöpfers ähnlich macht. Teilhard sieht als Beleg dafür die zunehmende Komplexität unserer Welt, die sich immer weiter entwickelt, von der unbelebten, über die belebte, der geistigen hin zur spirituellen Welt.

In all dem wird uns die Wirklichkeit Gottes immer deutlicher als unsere Wirklichkeit, wie es unsere Stelle aus der Offenbarung sagt, indem Gott bei uns ist und sich unsere Wirklichkeit als seinem Volk mit seiner Nähe verbindet. Vom Alpha bis zum Omega entfaltet sich so sein großer Traum, der der Traum Gottes ist.

Achim Fürniss, Backnang