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Der Heilige vom Schwäbischen Wald

von Achim Fürniss | |   Menschenkinder

Vor zwölfhundert Jahren wirkte der Einsiedler Walterich segensreich in Murrhardt. Viele Spuren erinnern noch heute an ihn. Und mancher glaubt auch noch heute an die kraftvolle Nähe des Heiligen...

Hoch auf dem Berg über Murrhardt befindet sich eine schlichte alte Kirche, mit wuchtigem Turm und und gedrängtem Schiff, vom Friedhof der Stadt umgeben mit einer Mauer. Sie erinnert an eine der vielen Dorfkirchen im schwäbisch-fränkischen Wald. Von oben bei der Kirche hat man einen herrlichen Ausblick auf Murrhardt und seine stattliche Klosterkirche, dem Murrtal und dem schwäbischen Wald.

Nichts deutet darauf hin, dass man sich hier an einem besonderen Ort befindet, der bis heute eine stille Verehrung erfährt. Hier oben auf dem Berg befand sich schon in römischer Zeit ein Heiligtum, dem Soldatengott Mithras geweiht, dessen Kult so große Nähe zum Christentum aufwies. Auf den Resten des ehemaligen Tempels über dem römischen Castrum am Limes steht nun diese Kirche, die sich weit sichtbar über die Kleinstadt erhebt.

Hier, zwischen den Runinen des Tempels, hoch über dem Tal und am Rand des unbesiedelten Waldes lebte einst der Einsiedler Walterich, dessen Namen die Kirche bis heute trägt. Viele Legenden ranken sich um ihn, die alle auf seine besondere innere Kraft hinweisen, die von ihm ausgegangen ist. Die Nähe zu ihm galt vielen Menschen als heilsam. Bis ins letzte Jahrhundert hinein pilgerte man wohl noch zu seinem Grab in der Kirche und bat um Heilung (und wer weiß, manche tun das vielleicht auch noch heute...).

Am liebsten saß der Einsiedler auf einer alten Steinplatte, ein Rest des römischen Tempels. Viele kamen zu ihm an diesen Ort, auch viele Edelleute waren darunter. Der bekannteste: Ludwig der Fromme, Sohn Kaiser Karl des Großen. Mit ihm war er so verbunden, dass manche Walterich selbst für einen illegitimen Sohn Karls halten - Ludwig wäre demnach sein Halbbruder gewesen (in Murrhardt ließ Ludwig sein Herz begraben - Grab in der Klosterkirche!). Wie immer auch sei, wir wissen wenig über die Herkunft des heiligen Mannes aus Murrhardt. Etwas wissen wir: 794 wurde Walterich als Abt in Neustadt am Main eingesetzt. Erst 816 wird er wieder in Murrhardt urkundlich erwähnt. Als Beichtvater Ludwig des Frommen ist er bekannt und begleitet ihn auf kaiserlichen Gesandtschaften und Reichsversammlungen.

Unter Ludwigs Schirmherrschaft wird 817 das Beneditktinerkloster Murrhardt gegründet, unten im Murrtal unterhalb der Einsiedelei. Walterich wird als erster Abt berufen und holt 12 Mönche von der Reichenau als Mitbrüder nach Murrhardt. Nach Walterichs Tod am 29.11.850 wird er an jenem Platz oben im Gelände des alten Tempels beigesetzt, an der immer saß. Die alte römische Steinplatte wird seine Grabplatte. Um das Grab wird bald eine kleine Kirche gebaut, zunächst aus Holz, dann aus Stein, schließlich die heutige Kirche.

Doch die Menschen suchen weiter seine heilsame Nähe. Immer mehr Pilger zieht es nach Murrhardt hinauf zu seinem Grab. Die Berührung der Grabplatte gilt als wunderwirkend. Die Legende erzählt von vielen Wunderheilungen. Es wird ein Weg angelegt vom Kloster hinauf zur Walterichskirche, später eine Treppe, die den Weg hinauf führte, ein Weg der Buße (Die Treppe wurde in den 50er Jahren entfernt). Viele lassen sich neben seinem Grab bestatten, ein Friedhof entsteht rund um die Kirche und verbindet die Menschen in Murrhardt bis heute noch mit diesem Ort.

Auf Betreiben des Abtes und des Murrhardter Klostervogts Graf Berthold von Wolfsölden wird Walterich am Karfreitag 1226 selig gesprochen. Ein Heiliger war er im kanonischen Sinne also nie, doch er wird als solcher schon bald verehrt. Seit jenem Karfreitag pilgerten die Gläubigen in Murrhardt am Karfreitag hinauf zur Kirche zu ihrem "Sankt Walterich" (wie ihn der Volksmund in Murrhardt nennt). Die Karfreitagsprozession besteht auch in protestantischer Zeit weiter bis in die 30 Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein. Im ausgehenden Mittelalter (1512) hat man oben vor der Kirche noch einen Ölberg anbringen lassen, ein geschnitzter Schrein, der nur an Gründonnerstag geöffnet wird.

All zu wundersame Heiligenverehrung ist dem Protestantismus suspekt. So wird 1612 die Grabplatte zerschlagen und man fertigt daraus einen Opferstock der seinen Platz neben dem Hauptportal der Kirche findet. Doch auch weiterhin suchen die Menschen den Kontakt zu Walterichs Stein - und sei es unwillentlich, um eine Gabe zu opfern. Walterichs Grab wurde 1963/64 zu Grabungszwecken geöffnet und bestätigt die Tradition der Verehrung des „Heiligen“ von Murrhardt. Walterichs Grab befindet sich in der vorderen Mitte der heutigen Kirche (drei Vorgängerbauten gingen dieser voraus), wo heute wieder eine Grabplatte an ihn erinnert. Sein Grab wird eingefasst von römischen Steinplatten, zum Teil mit Relief geschmückt. Eines davon zeigt die römische Wölfin die ihre beiden Kinder nährt – Sinnbild dafür, wie der christliche Glauben die Menschen aus Gottes Kraft nährt. Walterich war dafür eines frühesten Zeugen in der Region. (af)

Übrigens: Die Walterichskirche ist nicht zu verwechseln mit der Walterichskapelle, jenem Kleinod der Spätromanik, das sich neben der Murrhardter Klosterkirche befindet und zu seiner Verehrung erst später erbaut wurde.

 

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Walterichskirche Murrhardt
Grabplatte in der Kirche (Foto: AF)