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Sieben Leben möcht ich haben

von Rosemarie Fröhlich-Haug | |   Menschenkinder

Eine persönliche Erinnerung an Albrecht Goes, Dichter und Pfarrer, Mahner und Literat. Von 1954 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 lebte Albrecht Goes in Stuttgart-Rohr mit der „berühmten Aussicht ins Weite und Weiteste“ und „in der guten Filderluft, gratis vom lieben Gott gespendet“ wie er selbst über die Rohrer Höhe schrieb.

  • Sieben Leben möcht ich haben: Eins dem Geiste ganz ergeben, So dem Zeichen, so der Schrift. Eins den Wäldern, den Gestirnen Angelobt, dem großen Schweigen. Nackt am Meer zu liegen eines, Jetzt im weißen Schaum der Wellen, Jetzt im Sand, im Dünengrase. Eins für Mozart, für die milden, Für die wilden Spiele eines. Und für alles Erdenherzleid Eines ganz, und ich, ich habe – Sieben Leben möcht ich haben! – Hab ein einzig Leben nur.

 

Dem „Wegbegleiter“ Albrecht Goes zum Hundertsten

(22. 3. 1908 – 23. 2. 2000)

Von 1954 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 lebte Albrecht Goes in Rohr, Im Langen Hau 5, mit der „berühmten Aussicht ins Weite und Weiteste“ und „in der guten Filderluft, gratis vom lieben Gott gespendet“ wie er selbst über die Rohrer Höhe schrieb. Er hat seinem Wohnort mit der Waldnähe, den Obstwiesen und dem früheren Kellerlädchen, in dem er seine Brezeln und seinen Kaiserstühler kaufte, ein literarisches Denkmal gesetzt.

Pfarrer und Dichter war und blieb er - wie Mörike, den er „erst spät“ für sich entdeckt und auch porträtiert hat, Dichtkunst und Predigtarbeit hat er nie getrennt – in beidem war er ein Meister des Wortes. Als er 1954 in den Langen Hau zog, war er zwar freigestellt vom Pfarrdienst, um sich ganz der Dichtung zu widmen. Er behielt aber bis 1973 einen ständigen Predigtauftrag an der Paul-Gerhardt-Kirche in Stuttgart. Tatsächlich blieb er zeitlebens Prediger und Seelsorger. Musik, Literatur, Politik, Theologie zählt er zu seiner „Vierfalt“.

Albrecht Goes wurde am 22. März 1908 im Pfarrhaus von Langenbeutingen im Hohenloher Land geboren, in seinem dritten Lebensjahr stirbt die Mutter, er kommt 1915 zur Großmutter nach Berlin-Steglitz und besucht dort das Gymnasium. Er kehrt 1919 zu seinem Vater nach Göppingen zurück, er besucht die Evangelischen Seminare in Schöntal und Urach. In Tübingen studiert er „Theologie, Philosophie und ein wenig auch Literatur“, 1930 schließt er sein Studium ab und wird an seinem 22. Geburtstag – von seinem Vater in Tuttlingen ordiniert. Das Vikariat führt ihn nach Echterdingen und an die Stuttgarter Martinskirche, zu der auch der Dienst am Pragfriedhof gehört.

 

Sein erster Gedichtband „Verse“ erscheint 1932 im Selbstverlag. 1933 tritt er seine erste Pfarrstelle in Unterbalzheim an und heiratet Elisabeth Schneider. 1938 kommt er auf die Pfarrstelle in Gebersheim bei Leonberg. Im Zweiten Weltkrieg wird er 1940 zum Militärdienst eingezogen, zwei Jahre lang wurde er als Funker eingesetzt, dann kommt er als Lazarett- und Gefängnispfarrer in die Ukraine, nach Polen, Ungarn und Österreich. Er steht vielen an Körper und Seele verletzten Menschen bei und durchlebt nicht nur eine unruhige Nacht. Er sieht die Realität des Krieges: „Es ist notwendig, ihn zu entzaubern... Krieg, das ist Fußschweiß, Eiter und Urin“. Seine Frau Elisabeth mit den drei Töchtern Christin, Brigitte und Rose muss zu Hause im Pfarrhaus in Gebersheim alleine durchkommen, sie versteckt Juden in ihrem Haus. 1945 kommt er nach kurzer Kriegsgefangenschaft wieder nach Hause.

Zwei Novellen haben den Dichter international berühmt gemacht. Die „Unruhige Nacht“ (1950) und „Das Brandopfer“ (1954) - später auch „Das Löffelchen“ (1965) - erheben die Stimme gegen das Vergessen und Verdrängen des Krieges: „Zuweilen muss einer da sein, der gedenkt.“ Die tapfere Metzgersfrau im „Brandopfer“, bei der die Juden Fleisch kaufen dürfen, versucht, die Entrechteten als Menschen zu behandeln. Die Novelle „Unruhige Nacht“ wurde mehrfach verfilmt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. In den 50er Jahren tritt er mit Gustav Heinemann, Helmut Gollwitzer und anderen gegen die Wiederbewaffnung ein. Als Martin Buber 1953 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wird, hält Albrecht Goes die Laudatio. Hier zeigte sich, dass beide ein fruchtbarer Briefwechsel verband.

„Ich versuche zu wecken, was sein könnte und zu sagen, was ist“ – das galt für den Pfarrer wie für den Schriftsteller. „Zu wecken, was sein könnte“ – damit war sein stetes Bemühen benannt, behutsam das Menschliche, das Gute im Menschen, die Vielfalt von Begegnung und Menschlichkeit zu entfalten. Seine bekannten Gedichte wie oder „Sieben Leben“ und „Die Schritte“ fassen seine innere Lebendigkeit einfühlsam in Worte. „Zu sagen, was ist“ – damit war sein Mut und seine Klarheit beschrieben, Situationen zu treffen, Entwicklungen zu deuten, einen Sachverhalt beim Namen zu nennen.

 

Mit bedeutende Ehrungen wurde er ausgezeichnet, die Ehrendoktorwürde der Universität Mainz, der Professorentitel, das große Bundesverdienstkreuz, die Buber-Rosenzweig-Medaille, den Lessingpreis der Stadt Hamburg, die Bürgermedaille der Stadt Stuttgart sind Zeichen der Anerkennung seines Schaffens.

Zu seinem 80. Geburtstag dankte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker Albrecht Goes beim Empfang in der Villa Hammerschmidt mit den Worten: „ Ihr Leben, Ihr Miterleben, Ihr Gewissen in der Geschichte dieses ganzen Jahrhunderts ist für viele Menschen und auch für mich Maßstab und Hilfe, keine einfache Hilfe – wie sollte es anders sein?“

Die wachen Augen und das Hinsehen, die angelehnte Tür, durch die ein Lichtstrahl fällt – wenige gleichnishafte Worte, eher leise Töne waren es, mit denen sich Albrecht Goes bei den Menschen eingeprägt hat – doch so wirken seine Worte um so nachhaltiger weiter, so bleibt er um so tiefer in Erinnerung. Der schönste Dank an ihn wäre, dass wir seine Worte lesend weiter hören, dass sie uns immer neu anregen, herausfordern und zum Leben ermutigen.

 

Pfarrerin Rosemarie Fröhlich-Haug begegnete Albrecht Goes in ihrer Zeit im Gemeindepfarramt an der Laurentiuskirche in Stuttgart-Rohr, der Heimatgemeinde des Dichterpfarrers. Heute begleitet sie das Gemeindepfarramt in Kirchheim-Lindorf. Der vorliegende Artikel erschien im Gemeindebrief der Laurentiuskirche zum 100. Geburtstag von Albrecht Goes und wurde dem Kaleidoskop-Journal mit freundlicher Genehmigung der Autorin zur Verfügung gestellt.

 

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Albrecht Goes, Quelle: www.laurentiuskirche.de